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Leo

Der Herdenschutzhund als Familienhund

Pro und Kontra Herdenschutzhund

Ein Herdeschutzhund - ja oder nein? Das ist ein schwieriges Thema, das kaum objektiv angegangen werden kann, besonders nicht von einem Herdenschutzhundehalter. Ich versuche trotzdem bzw. gerade deswegen auf Pro und Kontra einzugehen. Die Hunde haben es verdient, dass man sich mit ihnen ehrlich und selbstkritsch auseinander setzt.

Ganz allgemein gilt: Herdenschutzhunde gehören nicht in unsere Breitengrade. Sie gehören da hin wo sie ursprünglich leben und herkommen und nirgendwo anders hin. Sie gehören in die Weiten der Steppe oder auf Weiden und Höfe in den Bergen, wo sie ihr Territorium abstecken können, ihre Freiheit ausleben können und ihre Aufgaben haben.

Nun kommt das Aber! Natürlich gibt es Ausnahmen, ich selber gehöre ja auch dazu. Deswegen gibt es ja diese Internetseite, und auch deswegen, weil es eine Illusion ist, diese Hunde nur da leben zu lassen wo sie herkommen. Es wird immer Herdenschutzhunde geben, die den Weg zu uns finden. Entweder als Ferienmitbringsel, als 'geretteter' Importhund, als untergejubelter Goldi-Mischling aus dem Tierheim oder direkt vom Züchter, der darin kein Problem sieht.

Ich versuche hier die Kontra's und Pro's auf die wesentlichsten Punkte zu reduzieren, damit ich kein Buch schreiben muss. Der Hauptpunkt ist sicher der Mensch, der so einen Hund möchte. Der zweite grosse Punkt ist der Hund selber, da nicht jeder Hund gleich ist. Der dritte wichtige Punkt sind die Lebensbedingungen für den Hund. Idealerweise sollte alles zusammen passen..

Die Lebensbedingungen

Die Lebensbedingungen lassen sich relativ klar einteilen für Pro und Kontra. Urbane Bedingungen sind klar ein Kontra. Der Herdenschutzhund wird sich in einer urbanen Umgebung nie richtig wohlfühlen. Sie steht in einem klaren Wiederspruch zu seinem Wesen. Von Lärm, Hektik und dauernden akustischen Reizen erfüllte Umgebungen sind ein Horror für diese Hunde. Eingeschränkte Bewegungsfreiheit und permanentes 'Funktionieren' müssen, wiedersprechen ihrem Charakter. Der Hund wird entweder zunehmend Verhaltensgestört, er resigniert und gibt sich auf oder er flippt eines Tages aus - viel mehr Optionen gibt es kaum. Urbane Lebensbedingungen können einem Herdenschutzhund nicht gerecht werden.

Ideal ist sicher ein Haus in ländlicher Umgebung und einem gut eingezäunten Grundstück, an das möglichst kein stark frequentierter Weg angrenzt. Wenn der Hund viel Zeit draussen verbringt, sind tolerante und lärmresistente Nachbarn ein grosser Vorteil. Unabhängig davon, ob Sie dem Hund das alles bieten können oder nicht, ist es wichtig, dass er ein Rückzugsort hat, wo er ungestört verweilen kann wenn ihm danach ist. Damit ist kein Zwinger gemeint sondern eine Ruhezone. Leben auf dem Grundstück noch andere Tiere und wird der Hund voll in die Familie integriert, sind die Bedingungen schon fast paradiesisch.

Der Mensch

Wie soll der Mensch sein der einen  Herdenschutzund möchte? Dazu hat sich bei mir ein klares Bild geformt in den letzen paar Jahren - bodenständig, selbstsicher, gradlinig, geduldig und einfühlsam, tolerant, mit einer natürlichen Autorität und resistent gegen dumme Sprüche. Der Mensch sollte idealerweise auch nicht unter der Gewichtsklasse des Hundes sein.

Falls Sie sich in dieser kurzen Beschreibung nicht wieder erkennen, lassen Sie es bleiben. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die mit den grossen Hunden pissen wollen, aber das Bein nicht heben können, lassen Sie es auch bleiben.

Fairerweise muss ich erwähnen, dass ich schon Hundeteams kennengelernt habe, wo der Halter nicht im mindesten diese Ideal-Beschreibung entsprochen hat, aber durch den Herdenschutzhund und mit entsprechender Geduld und Ausdauer, sich im Lauf der Zeit ziemlich in diese Richtung entwickelt hat. Voraussetzung ist, dass der Halter oder die Halterin selbstritisch und lernfähig ist und am Zusammenleben mit dem Hund wirklich etwas ändern will.

Viele sind auf der Stecke geblieben, haben resigniert, ignorieren ihre Schwierigkeiten im hündischen Zusammenleben, oder noch schlimmer, sie entschuldigen das Verhalten des Hundes mit Sprüchen wie 'es ist eben ein Herdenschutzhund, die sind eben so'. 

Hier ein paar witzige Sprüche, die sicher übertrieben sind, aber doch einen Kern Wahrheit in sich tragen.

Wie erkennt man einen Herdenschutzhunde-Halter?

  • Er hat ungleich lange Arme, hat den Hund an drei Leinen oder die Leine viermal ums Handgelenk gewickelt
  • Er hat den Hund immer frei und tut so, als ob der Hund ihm nicht gehört
  • Er versteckt sich oder dreht um, wenn eine Hundebegegnung nicht zu vermeiden ist
  • Er empfängt seinen Besuch nur im Restaurant und lässt den Hund Zuhause
  • Er muss seinen Hund wegsperren, wenn der Besuch trotzdem ins Haus kommt
  • Wenn der Besucher ins Haus darf, läuft ihm der Hund konsequent hinterher, oder versperrt ihm den Weg, oder lässt ihn nicht mehr vom Klo raus
  • Die Wander- oder Veloroute die an seinem Haus vorbeiführt wurde aufgehoben
  • Kinder laufen mit zugehaltenen Ohren am Zaun vorbei
  • Er hat zuerst seinen Zaun erhöht, dann mit Brettern einen Sichtschutz montiert und weil das nicht geholfen hat, noch ein Weidezaungerät installiert
  • Er geht vorwiegend Nachts spazieren oder fährt mit dem Auto in einsame Gegenden
  • Er wird zusehends von den Nachbarn gemieden

Der Hund

Welcher Herdenschutzhund darf es denn sein? Lassen Sie sich nicht vom Aussehen beeinflussen oder von irgendwelchen Geschichten, Mythen oder national geprägten Vorstellungen. Hängen Sie auch nicht den Tierschützer raus, der vor Mitleid triefend den so traurig hinter Gitter hervorschauenden Hund retten will. Lassen Sie den Hund auf sich wirken. Wenn er Sie in der Seele berührt, sind Sie auf der richtigen Spur.

Wenn Sie es einfacher mögen, wählen Sie eine Hündin aus. Wenn Sie gerne fighten, jedes Kommando drei Mal geben wollen und gerne gegen Wände sprechen, nehmen Sie einen Rüden. Das gilt für alle Herdenschutzhunde. Sie sind Pragmatiker und sehen nicht ein, warum Hund etwas einfaches kompliziert machen sollen.

Wenn Sie eine faire Chance haben wollen auf ein unbeschwertes Miteinander, entscheiden Sie sich für einen Welpen. Nach Möglichkeit aus einer anerkannten Zucht. So haben Sie eine ungefähre Vorstellung was Sie erwartet. In allen andern Fällen kaufen Sie die Katze, bzw. den Hund im Sack.

Hunde unbekannter Herkunft oder Herdenschutzhund-Mischlinge können ausserordentlich explosive Mischungen sein. Das sind definitiv keine Hunde für Anfänger und schon gar keine für selbsternannte Tierschützer mit weichen Herzen. Ich schreibe das, weil genau solche Hunde in Tierheimen ihr jämmerliches Dasein fristen oder von Tierschützern oder Tierschutzorganisationen von der Strasse gerettet und in lagerähnlichen Einrichtungen zusammengepfercht werden. Vermeiden Sie es auch, sich einen Herdenschutzhund anzuschaffen, der aus einer direkten Arbeitslinie kommt, quasi direkt ab Schäfer. Diese Hunde sind eine ausserordenlich grosse Herausvorderung. An deren Eigenständikeit und Kompromisslosigkeit musste schon mancher Halter kapitulieren (ich eingeschlossen).

Maremmani, wie auch andere Herdenschutzhunde, sind oft etwas ungestüm, quasi Allradler mit Turbolader, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Sie sind schnell im Spurt, haben eine grosse Kraft, sind sehr ungestühm und ihre Dynamik ist oft schneller als ihr Hirn. Andererseits braucht es manchmal eine gefühlte halbe Stunde, bis sie auf etwas reagieren.

Vom Grundwesen her sind alle Herdenschutzhunde ziemlich gleich. Die östlichen Hunde sind eher etwas gefestigter und 'überlegter', aber dafür auch ziemlich kompromisslos. Die Menschen in den Ursprungsregionen der Herdenschutzhunde haben einen grossen Respekt vor diesen Gefährten. Diesen Respekt haben sie auch verdient und den sollten wir beibehalten.